Island?

Seit vier Jahren lebe ich nun in Island. Ein Land, welches noch gar nicht allzu lange auf den Must-See Listen der Weltreisenden dieser Erde steht. Feuer und Eis – ein Ort der Gegensätze, entweder man liebt es oder man hasst es, so höre ich immer wieder. (Von letzterer Sorte habe ich allerdings noch nie jemanden persönlich getroffen.) Meiner Erfahrung nach kehren alle, die in Island ein paar Tage verbracht haben, vor allem mit einem Gefühl nach Hause zurück: Ausgeglichenheit. „Irgendwie komme ich in Island immer zur Ruhe. Ich steige aus dem Flieger und atme einmal tief durch, sofort merke ich, wie all der Stress aus meinen Lungen weicht“ – sagte eine Freundin das letze Mal zu mir, als wir uns bei mir im Wohnzimmer zum Kaffee trafen. Ich begegne dieser Aussage, diesem Gefühl, in keinem Falle mit Verwunderung, ganz im Gegenteil. Ich lebe es. Ein einziger Urlaubstrip in dieses karge Land im hohen Norden hat ausgereicht, um mein Leben gänzlich und unwiederbringlich zu verändern. Reisen haben einen solchen Effekt. Man nimmt etwas für sich mit, zehrt von ihnen, findet ein kleines Stückchen weiter zu sich. Aber manche Trips haben tatsächlich schier unglaubliche Auswirkungen. Verändern die Zukunft schlagartig, im positivsten aller Sinne. Genau das ist mir mit Island passiert.

Die Magie.

2012 war ich sieben Tage hier oben. Sieben Tage, gefüllt mit wilder Lavalandschaft, tosenden Wasserfällen, dem stetig schlagenden Herzen des Ozeans, einer Luft so klar, dass ich manchmal dachte, ich könne sie sicher schneiden, hätte ich ein Taschenmesser parat. Ich liebe das Reisen und dank meiner Eltern, meiner eigenen Neugier und einer recht vernünftig zahlenden Selbstständigkeit bin ich in der dankbaren Position, bereits Einiges von der Welt gesehen zu haben. Viele Plätze haben dabei ihren Anker in meinem Herzen gesetzt, auf die Gefühle, die Island in mir auslösen sollte, war ich jedoch nicht vorbereitet. Es hat keine 24Stunden gedauert und ich war verloren. Vielleicht liegt es daran, dass ich großer Herr der Ringe Fan bin, vielleicht daran, dass ich unglaubliche Weiten mit einem Gefühl grenzenloser Freiheit verbinde, vielleicht waren es die Farben der Sonnenuntergänge, die ich so noch nie gesehen hatte (der ganze Himmel steht lodernd in Flammen), aber ich wollte, ich KONNTE hier nicht mehr weg. Der Heimflug brach mir fast das Herz. Ich fand mich zu dem Zeitpunkt reichlich albern, es war doch schließlich nur ein Land. Trotzdem wurde ich das Gefühl einfach nicht los. Dieses uneingeschränkte Ich-Sein, dieses ‚hier bin ich richtig‘ wollte sich nicht abschütteln lassen.

Die Entscheidung.

Also bin ich 2013 zusammen mit meiner besten Freundin wiedergekommen. Für vier Tage. Das hat ausgereicht, sie hat meinen uneingeschränkten Wunsch, alles hinter mir zu lassen und einen gänzlich neuen Weg einzuschlagen, nicht eine Sekunde hinterfragt. 2015 sind wir gemeinsam für drei Monate in den hohen Norden gezogen. In eine schimmlige, winzige, umgebaute Garage. Mit Meerblick. Wir haben nach nichts gesucht, ausser Ruhe, einem Funken von Wahrheit vielleicht, nach einem letzten Schubs, einfach zu springen, es zu wagen. Manchmal spielt einem das Leben ganz unverhofft in die Karten und so fanden wir nicht nur zu uns selbst, sondern auch die Liebe. Zwei Isländer gesellten sich in diesen drei Monaten zu uns. Es war ein Sommer voller Magie. Und das meine ich nicht kitschig auf die neu gefundenen Beziehungen, sondern kitschig auf das Land bezogen. Baden in heißen Quellen unter der glühenden Mitternachtssonne. Picknick im Lupinen-Meer. Frühstück am Wasserfall. Alles fühlte sich beinah surreal an. Ein Funken meines Verstandes begann zu begreifen, wieso man hier an Elfen glaubt. Im August 2015 bin ich zurück in Deutschland angekommen. Ich hatte keine Zweifel mehr, nur noch einen Plan. Und so saßen meine Freundin und ich im November erneut im Flieger.

Diesmal ohne ein Rückflugticket.

Die Folgen.

Wir haben 2019. Ich bin verheiratet mit eben jenem Isländer, der mich 2015 durch den Sommer begleitete. Wir haben eine gemeinsame Wohnung gekauft. Meine kleine Firma in Deutschland habe ich geschlossen und mich hier erneut an die Selbstständigkeit herangewagt. Ich arbeite viel und der Alltag hat mich längst eingeholt – trotzdem fühlt sich noch immer, vier Jahre vorwärts gespult, fast jede Woche wie eine Urlaubswoche an. Ich liebe das Reisen auch weiterhin, fliege aber nur noch einmal im Jahr ins Ausland. Meine restliche Freizeit verbringe ich mit dem Erkunden dieses Fleckchen Erde, das mir immer und immer wieder den Atem raubt. Am liebsten übrigens im Wohnmobil. Was Viele nicht wissen: Island ist das absolut perfekte Reiseziel für einen Trip im fahrbaren Zuhause. Die Strecken sind weit, zwischen den großen Touristen HotSpots gibt es so viel zu sehen, an jeder Wegbiegung möchte man halten.

Aktuell blühen die Lupinen in voller Pracht. Es gibt wenig Schöneres, als einfach zu stoppen, den Tisch auszuklappen und dann unter freiem Himmel seinen Lunch zu genießen. Jetzt, zur Zeit der Mitternachtssonne, ist man mit dem Wohnmobil besonders frei. Ein kleines Nickerchen am Nachmittag und schon hat man die absolut einmalige Gelegenheit, den Wasserfall, das tosende Meer, die spuckenden Quellen in der Nacht zu bestaunen. In Dämmerlicht und ganz ohne Touristen. Die Uhren in Island ticken generell ein wenig anders aber in den Sommermonaten scheint die Zeit einfach aus den Fugen zu geraten. Unser nächster Schritt ist daher neben einem Stück Land im Grünen vor allem ein eigener Wohnwagen. Ich habe nie begriffen, was Menschen meinen, wenn sie sagen, sie seien angekommen. Heute weiß ich es.

Ich habe mein Zuhause gefunden. Vielleicht meine Bestimmung, auf jeden Fall aber meine Zufriedenheit. Ein einziger Trip hat mein Leben komplett auf den Kopf gestellt, mich aus dem Stadtleben mitten in die Natur katapultiert.

Jede einzelne Reise, jede Entscheidung, jedes Ja in deinem Leben hat das Potential, dich dem näher zu bringen, was wir alle suchen: Glück.

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